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Die Bedeutung des jüdischen Handels für das ländliche Leben in Borgholz – Die Geschichte der Familie Neustadt

Die Familie Neustadt aus Borgholz steht exemplarisch für die entscheidende Rolle, die jüdische Händler für die ländliche Infrastruktur und die regionale Wirtschaft spielten. Ihre Geschichte erzählt von wirtschaftlicher Verflechtung, nachbarschaftlichen Beziehungen und letztlich der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime.

Wirtschaftliche Verbindungen zwischen Juden und Nichtjuden

Im ländlichen Raum war das Zusammenleben von jüdischen und nichtjüdischen Bewohnern durch vielfältige wirtschaftliche und soziale Beziehungen geprägt. So verkauften Emmy und Sigmund Neustadt Manufakturwaren und betrieben bis 1918 auch Getreidehandel. Ähnliche Kaufleute, wie die Familie Neustadt, trugen entscheidend zur Versorgung der Bevölkerung bei.

Diskriminierung und Boykott in der NS-Zeit

Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten begann eine systematische Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung. Ab Anfang der 1930er Jahre wurden die Kunden der Familie Neustadt unter Druck gesetzt, bei ihnen nicht mehr einzukaufen. Das große Haus der Neustadts mit angeschlossenem Konsumgüterladen lag gegenüber der Gaststätte Sökefeld und war ein wichtiger Anlaufpunkt für die Dorfgemeinschaft. Die Nähe und gute Einsehbarkeit von der Gaststätte aus, führten dazu, dass der reichsweite Boykott vom 1. April 1933 „Kauft nicht in den jüdischen Geschäften und Warenhäusern“ kaum zu umgehen war. So waren viele Kunden aus Borgholz, gezwungen, ihre langjährige Geschäftsbeziehung zu den Neustadts aufzugeben. Dies zerstörte die wirtschaftliche Existenzgrundlage vieler jüdischer Händler.

Die Reichspogromnacht und ihre Folgen

Am 10. November 1938, im Zuge der Reichspogromnacht, griffen auch in Borgholz nationalsozialistische Aktivisten jüdische Geschäfte und Eigentum an. Das Geschäft der Familie Neustadt wurde geplündert, die Familie fand vorübergehend Schutz in der Nachbarschaft. In den folgenden Jahren wurde jüdisches Eigentum „arisiert“ und die Läden zwangsweise geschlossen. Bis Juli 1939 war Sigmund Neustadt der letzte verbliebene jüdische Eigentümer in Borgholz.

Deportation und Ermordung

Am 8. Juli 1942 wurden Sigmund Neustadt (77 Jahre) und seine Tochter Emmy (58 Jahre) aus einem sogenannten Judenhaus im nahegelegenen Natzungen deportiert. Sigmund verstarb wenige Monate später, am 24. September 1942, in Theresienstadt an den Folgen von Hunger und Krankheit. Emmy wurde in Auschwitz ermordet.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen

Die Stolpersteine in Borgholz erinnern uns an die Geschichte der Familie Neustadt, zeigt die enge Verflechtung jüdischen Lebens mit der lokalen Gemeinschaft und die schrecklichen Konsequenzen von Ausgrenzung, Hass und Verfolgung. Ihr Schicksal mahnt, die Vergangenheit nicht zu vergessen und Verantwortung für eine tolerante und gerechte Gesellschaft zu übernehmen.

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